Podiumsdiskussion über den Kunstverkauf der öffentlichen Hand

Der WestLB-Nachfolger Portigon will im Zuge der Abwicklung der früheren Landesbank rund 380 Kunstwerke und drei wertvolle Streichinstrumente verkaufen. Aus der Bürgerschaft und speziell aus Kulturkreisen heraus wird dieses Vorhaben heftig kritisiert. Voraus ging bereits die Versteigerung zweier Kunstwerke von Andy Warhol aus dem Besitz eines landeseigenen Kasinos in Aachen. Viele sehen das Ansehen Nordrhein-Westfalens als Kulturland bereits als beschädigt an. Wann ist ein Verkauf von Kunst aus öffentlichem Besitz legitim und welche Kriterien sollten dafür gelten? Diese Fragen stellten der Kulturrat NRW und die Kulturpolitische Gesellschaft am 13. Mai 2015 einer Runde von Experten und Kulturpolitikern. Oliver Keymis (Die Grünen), Thomas Sternberg (CDU), Barbara Welzel (Verband deutscher Kunsthistoriker), Henrik Hanstein (Kunsthändler) und Marcel Odenbach (Künstler) berieten, moderiert von Peter Grabowski, im Kölner Gebäude der Thyssen-Stiftung.

Der Verkauf der beiden Warhol-Bilder aus dem Aachener Spielkasino bei Christie’s in New York hat der landes-nachgeordneten Gesellschaft nach Abzug aller Gebühren immerhin 108 Millionen Euro erbracht. Hatte die Kulturpolitik dem Verkauf damals zugestimmt? Fast alle Fraktionen waren in den Kasino-Aufsichtsgremien vertreten. Die Stellungnahmen der beiden Kulturpolitischen Fraktionssprecher verrieten deutliche Distanz, wenn auch Keymis den beschrittenen Weg zur Warhol-Versteigerung immerhin nachvollziehen konnte. Der Künstler und Kunsthochschuldozent Marcel Odenbach bezeichnete den Verkauf der Warhol-Werke als „eine Art von Verrat“.

Einigkeit herrschte in Bezug auf das Problem der Portigon-Kunstsammlung. Anfang Februar 2015 hatte Oliver Keymis in dem von Kulturministerin Ute Schäfer einberufenen Runden Tisch zum Kunstverkauf vorgeschlagen, dass die Landesregierung das Kunst-Konvolut der Portigon erwerbe, der Kunstsammlung NRW übertrage und die erforderlichen Mittel aus dem Verkauf der Warhol-Bilder nehme. Keymis schätzte nun in der Diskussion den erforderlichen Betrag auf 10 bis 18 Millionen Euro. Der höhere Betrag schließe die Übertragung der Violinen mit ein. Henrik Hanstein bezeichnete diese Schätzung als deutlich zu niedrig, wollte sich aber nicht auf einen Betrag festlegen.

Thomas Sternberg hat einen Antrag der CDU-Fraktion an den Landtag auf Übertragung der Sammlung eingebracht, den Oliver Keymis ausdrücklich begrüßte. Und auch Andreas Bialas (SPD), im Publikum der Diskussion zugegen, verriet deutliche Sympathie zum Vorschlag. Peter Grabowski sinnierte, ob sich die Ministerpräsidentin angesichts soviel politischer Einigkeit nicht in einem „einsamen heroischen Akt“ an die Spitze der Initiative stellen könne.

Der Einsatz öffentlichen Geldes für die Unterbringung eines Kunstwerks in einem Museum ist nach allgemeiner Vorstellung darin begründet, dass man dieses Werk der nächsten Generation nicht vorenthalten sollte. Die Kunstsammlung der WestLB sei entsprechend oft mit diesem musealen Vorbehalt zusammengekauft worden, so Barbara Welzel. Hanstein sah da „mehr eine Ansammlung als eine Sammlung“. Ein besonderes Problem stelle die Tabuisierung dar: Wenn Firmen so vorgeführt würden wie es in Aachen und in Düsseldorf geschehen sei, dann schade dies dem Kunstleben insgesamt. „Wir können nicht Werke als nationales Kulturgut erklären, nur um den Preis zu drücken.“

Für Keymis ist der Umgang der Portigon mit der an Frank Peter Zimmermann ausgeliehenen Stradivari exemplarisch. Dass dieses Instrument, das mit Zimmermanns bewunderten Interpretationen geradezu verwachsen sei, nun auf den Markt geworfen werde, sei fatal. Die einzig angemessene Vorgehensweise sei die Devise: „Her mit der Geige und Zimmermann herauf auf die Bühne.“ Ein anderes Problem rückte Barabara Welzel in den Blick: Die Rezeption von Kunst sei derzeit zu wenig Bestandteil kultureller Bildung. Sie fehle auch in dieser Diskussion völlig. Keymis unterstützte das energisch. In den letzten Jahrzehnten habe die Gesellschaft Bildung und Kultur auseinander dividiert. Im Schlusswort wies Gerhart Baum darauf hin, dass der Antrag der CDU gestellt sei und die Landesregierung nun antworten müsse.

Kunst im öffentlichen Besitz – Wert und Wertigkeit von Kunst, eine Veranstaltung von Kulturrat NRW und Kulturpolitischer Gesellschaft, organisiert von Friederike van Duiven (Kulturrat NRW) und Marc Grandmontagne (Kulturpolitische Gesellschaft), Fritz Thyssen Stiftung Köln, 13. Mai 2015.

Sendung auf WDR3, 17. Mai, 19:05–20:00 Uhr

WDR 3 Formum – 17.05.2015: Wert und Wertigkeit – Kunst im öffentlichen Besitz

Der Kulturpolitische Reporter